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Interaktive Lese-Karte zur Frankfurter Buchmesse

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Die Frankfurter Buchmesse lockt von Mittwoch bis Sonntag 7300 Aussteller aus mehr als 100 Ländern an. Gastland bei dem größten deutschen Branchentreffen des Literaturbetriebs ist dieses Jahr Georgien.

Doch die Neuerscheinungen entführen nicht nur in den Kaukasus, sondern auch nach Reims, auf einen Berggipfel von Lanzarote oder in einen deutschen Garten.

Auf dieser Weltkarte können Sie sich die Lektüre nach Handlungsort auswählen.

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Der Brand der Kathedrale von Reims gehört zu den außerordentlichen Ereignissen des Ersten Weltkriegs. Kaum etwas hat das deutsch-französische Verhältnis so sehr geprägt wie der Angriff der deutschen Truppen auf das Gotteshaus. Denn die Kathedrale von Reims war Krönungsort der französischen Könige, ein Nationalheiligtum. Der Kulturhistoriker Thomas Gaethgens erzählt nun eine ausführliche Geschichte des Feuers und seiner Folgen. Er beginnt mit dem militärischen Angriff und geht über in die Beschreibung des anschließenden Kulturkampfes. Gaethgens hat viele Quellen und den neuesten Forschungsstand zu einem sehr lesbaren Buch geformt. Er fragt, warum sich Intellektuelle auf beiden Seiten für Kriegspropaganda zur Verfügung stellten, und ob Kulturdenkmäler wichtiger sind als Menschenleben. In Kombination mit der außergewöhnlichen Sammlung von Fotos wird dieses Buch zu einem spannenden Beitrag zur Geschichte des Ersten Weltkriegs.

Thomas Gaethgens: „Die brennende Kathedrale. Eine Geschichte aus dem Ersten Weltkrieg“. C. H. Beck. 351 Seiten, 29,95 Euro

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Tausend Tage ist Awtandil durch die Welt gezogen, durch Schneefall, Hitze und Sturm, um für seine Geliebte, Prinzessin Tinatin, das Rätsel eines einsamen Reiters im Leopardenfell zu enthüllen. Doch der unbekannte Kämpfer, der mit seiner Peitsche tödliche Hiebe austeilt, bleibt verschwunden. So beginnt die Sage „Der Held im Pardelfell“, die in Georgien jedes Kind kennt und nach deren Dichter Schota Rustaweli der Flughafen von Tiflis benannt ist. Nacherzählt hat das um 1200 entstandene georgische Epos nun der Journalist Tilman Spreckelsen. Eine archaische Welt entfaltet sich, von blutigem Kampf und romantischer Liebe, für deren Erzählung die Kulisse des Kaukasus wie ein Verstärker wirkt. Natürlich findet der junge Held den Leopardenmann – aber auch ein Stück seiner eigenen (Liebes-)Geschichte, die mit der des Fremden seltsam verknüpft ist. Ein bisschen liest sich das wie: Ritter- und Heldensage trifft Tausendundeine Nacht. Das Gefühl setzt Kat Menschik in ihren ausdrucksstarken Bildern fort. Und Spreckelsen hat eine schnörkellos moderne Sprache gefunden, die die ferne, fremde Vergangenheit vorsichtig heranzoomt. Ein guter Einstieg in das diesjährige Gastland der Frankfurter Buchmesse.

Tilman Spreckelsen, Kat Menschik: „Der Held im Pardelfell. Georgische Sage von Schota Rustaweli“. Galiani. 208 Seiten, 25 Euro

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Für seine „Regentonnenvariationen“ erhielt Jan Wagner 2015 den Preis der Leipziger Buchmesse. Auch in seinem jüngsten Lyrikband werden Beobachtungen aus dem Garten auf eine andere Ebene gehoben. Der Rettich erscheint hier wie ein Stoßgebet („Hätt ich, Hätt ich“), die Säge als Schicksalsobjekt („wer wüsste mehr von trennen und gelingen / zugleich?“). Wagner ist ein Meister darin, Alterserfahrungen mit Bedeutung aufzuladen. So wird der muffige Geruch beim Wühlen in einem Schrank zum Impuls für eine geistige Zeitreise zu Mammuts im Permafrost. In dem Gedicht „kleiner krähenhymnus“ haben die Strophen im Druck die Form eines Vogelschwarms. Doch Wagner ist kein Naturidylliker. Im Gedicht „am ganges“ treibt die aufgedunsene Leiche eines Wasserbüffels durch den Fluss, Marder reimt der Dichter auf Märtyrer. Und die Verse über „die live butterfly show“ handeln von dem Desinteresse des lyrischen Ichs an einer Schmetterlingsshow. Der Büchner-Preisträger hat Poesie einmal als „Magie zweiter Ordnung“ bezeichnet. Die beschwört er hier wieder mit sprachlicher Präzision.               
Jan Wagner: „Die Live Butterfly Show“. Hanser Berlin. 104 Seiten, 18 Euro

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Ende der Sechzigerjahre können Jungs noch sicher sein, dass ihnen die schönste Langeweile nicht durchs Piepen eines Smartphones kaputt gemacht wird. Sommernachmittage lang liegen sie im Gras, rauchen heimlich – und wenn sie Pech haben, stecken sie dabei den Sportplatz in Brand. So passiert es dem zehnjährigen J. J. und seinem besten Kumpel. Glücklicherweise weiß der superschlaue El Greco, Sohn griechischer Einwanderer, immer einen Ausweg. Und doch sickert die unbarmherzige Wirklichkeit in diese amerikanische Kindheitswelt. Davon erzählt Autor Mark Thomp­son in seinem souveränen Romandebüt „El Greco und ich“. Denn im Hintergrund rumoren gesellschaftliche Umbrüche. Särge mit jungen Männern kehren heim aus Vietnam, Bürgerrechtler werden erschossen, der Mensch fliegt zum Mond. Und Schicksalschläge drohen. Gut, dass da der traurige Nachbar Old Man Taylor auf seiner Terrasse sitzt: Bei ihm findet J. J. Trost in dieser anrührenden Geschichte über den Halt, den eine Freundschaft zwei Jungs bietet.

Mark Thompson: „El Greco und ich“. Mare. 224 Seiten, 20 Euro

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Fans des Autors Marc-Uwe Kling und seines vorlauten, anarchistischen, Schnapspralinen futternden Kängurus bedauern seit Jahren, dass nach den „Känguru-Chroniken“, dem „Känguru-Manifest“ und der „Känguru-Offenbarung“ Schluss sein sollte mit den Kult-Geschichten. Zwar konnten sich Kling-Jünger im vergangenen Jahr an dem Roman (und dem Hörbuch) „Qualityland“ erfreuen. Aber die Geschichten vom Känguru fehlten einfach. Nun hat das Warten ein Ende: In den „Känguru-Apokryphen“ geht der Wahnsinn in der ungewöhnlichen WG weiter. In feinster chaotischer Känguruweise wird Schnick Schnack Schnuck ohne feste Regeln gespielt, das Schnapstrinken in bester Kantscher Manier „kategorischer Aperitif“ genannt und die Notwendigkeit, das Zimmer aufzuräumen, mit dem zweiten Hauptsatz der Thermodynamik begründet („Die Wiederherstellung des geordneten Anfangszustandes kann nicht von selbst, sondern nur durch den Einsatz von Energie von außen, in unserem Fall von dir, erfolgen.“) Känguru-Freunde werden angesichts dieser neuen Geschichten (die auch wieder als Hörbuch erscheinen) vor Freude beuteltierhaft umherhüpfen. Und sich einen kategorischen Aperitif gönnen.

Marc-Uwe Kling: „Die Känguru-Apokryphen“. Ullstein. 208 Seiten, 9 Euro (erscheint am 12. Oktober)

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„Erster-Erster, Erster-Erster“. Dieses Mantra trichtert Henning der Rhythmus seines Fahrrads ein, mit dem er sich auf einen Berg auf der Insel Lanzarote kämpft. Es ist der Neujahrsmorgen, und Henning nutzt die Einsamkeit auf dem Rad als Tour de Force der Selbstvergewisserung: Ist seine Ehe mit Therese ein einziger Akt des Das-Beste-draus-Machens? Haben die Kinder sein Leben gekapert? Die Autorin Juli Zeh belässt es nicht bei dieser Schilderung einer Ehekrise und Midlife-Crisis: Auf dem Berg angekommen, bemerkt Henning, dass er schon einmal hier war. Die zweite Hälfte des schmalen Romans ist dann eine spannende Kindheitserinnerung mit traumatischen Erlebnissen. Der junge Henning fand sich damals bei einem Familienurlaub allein mit seiner jüngeren Schwester in der Ferienwohnung wieder und fühlte sich für ihr Überleben verantwortlich. Die Angst von damals hat er lange verdrängt, aber sie hat Auswirkungen bis in die Gegenwart. Die Kanareninsel, die sich mit jedem Vulkanausbruch im Sinne des Neujahrsgedankens neu erfindet, bietet eine atmosphärische Kulisse für diese Geschichte.

Juli Zeh: „Neujahr“. Luchterhand. 192 Seiten, 20 Euro

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Der Blick hat sich geweitet: In ihrem 2013 veröffentlichten Roman „Rechnung offen“ schilderte Inger-Maria Mahlke die Zustände in einem Berliner Mietshaus – hinter jeder Wohnungstür ein Schicksal, und überall die Stimmung, dass jetzt auch in Neukölln alles schicker, teurer und für viele Bewohner nicht mehr bezahlbar wird. In ihrem neuen Buch „Archipel“, das auf der Shortlist für den Deutschen Buchpreis steht, schreibt die 1977 geborene Autorin über Teneriffa. Von dort stammt ihre Mutter, und die in Lübeck aufgewachsene Schriftstellerin hat dort viele Ferien verbracht. Mahlke spannt einen großen Bogen und erzählt vom Leben mehrerer Familien in den vergangenen 100 Jahren, etwa auch zu Zeiten des Spanischen Bürgerkriegs. Die Geschichte setzt in der Gegenwart ein, geht von dort aus immer weiter zurück. Manchmal ist man von den vielen Figuren und den zahlreichen Details etwas ermattet, doch gegen Ende des spannenden (und auch lehrreichen) Romans kommen alle Fäden zusammen – geknüpft von einer souveränen Erzählerin.

Inger-Maria Mahlke: „Archipel“. Rowohlt. 432 Seiten, 20 Euro

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Kurz nach Ende des Zweiten Weltkriegs ist London nachts kaum beleuchtet. Noch immer gibt es zahlreiche verdunkelte Fenster, zerstörte Laternen – und Menschen, die die Helligkeit scheuen. Mehreren von ihnen begegnet der 15-Jährige Nathaniel in „Kriegslicht“, dem neuen Roman von Michael Ondaatje. Der Icherzähler beschreibt die Zeit, als seine Eltern plötzlich das Land verlassen und ihn und seine Schwester einem dubiosen Typen anvertrauen. Dass irgendetwas mit den Eltern nicht stimmt, ahnt der Leser von Anfang an. Doch Nathaniel begreift erst viel später, als er die Geschichte seiner Familie rekonstruiert, was genau in diesen Jahren eigentlich geschehen ist. Wie in seinem Welterfolg „Der englische Patient“ erzählt der Kanadier, geboren 1943 in Colombo, großartig von Liebe und Lügen, von Schmugglern und Spionen. Wundervoll verwebt er Vergangenheit und Gegenwart und lässt alle Schritte Nathaniels, der sich in die Welt der Gauner ziehen lässt, plausibel erscheinen. Ein traumhafter Roman.

Michael Ondaatje: „Kriegslicht“. Deutsch von Anna Leube. Hanser. 320 Seiten, 24 Euro

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Dieser Schauerroman ist die große Überraschung auf der diesjährigen Shortlist zum Deutschen Buchpreis: „Der Vogelgott“ rührt an archaische Ängste, Natur erscheint hier als unheimlicher Ort. Die Mitglieder einer Wissenschaftsfamilie werden durch eine zufällige Entdeckung auf einem Kirchenbild in den Mythos eines Vogelgottes hineingezogen. So viel Fluggetier war nicht mehr seit Alfred Hitchcock. Der Leser erfährt etwa, dass der Wiedehopf als Seelenbegleiter in die Unterwelt gilt. Was genau es mit dem Vogelgott auf sich hat, wird in diesem verschrobenen und rätselhaften Roman offengelassen. Seine Verehrer leben am Rande der Zivilisation, wohl irgendwo in Afrika, die Region ist von Bürgerkriegen erschüttert. Die Mitglieder der Weyde-Familie verlieren sich auf ihren Expeditionen in dieser Berglandschaft: der vogeljagende Vater, die Kunsthistorikerin Dora, der in einer Irrenanstalt landende Thedor und der Journalist Lorenz, der über den Kult schreibt. Und auch der Leser verliert sich in diesem ungewöhnlichen Roman, der trotz gelegentlicher esoterischer Eskapaden einen Sog entfaltet. Nicht nur für Ornithologen.

Susanne Röckel: „Der Vogelgott“. Jung und Jung. 272 Seiten, 22 Euro

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Wir leben in einem Zeitalter der zunehmenden Abschottung. Hatte es während des Kalten Krieges nur 19 Grenzzäune, -mauern und -absperrungen gegeben, werden heute 60 neue geplant oder errichtet. Reporter sind in alle Welt gefahren, um von diesen trennenden Orten zu berichten. Diese Texte von Grenzen zwischen den USA und Mexiko, zwischen Israel und Gaza, Armenien und Aserbaidschan, Nord- und Südkorea sind in dem Sammelband „Ausgeschlossen. Eine Weltreise Entladung Mauern, Zäunen und Abgründen“ versammelt. Sie erzählen aber auch von anderen Mauern, etwa in Brasilien, wo sie die reichen Wohnviertel vom Rest der Stadtbewohner in Rio oder Sao Paulo abgrenzen. Eine besondere Geschichte erzählt das Buch aus Stanstead. Mitten durch die dortige Bibliothek verläuft die Grenze zwischen den USA und Kanada, markiert durch einen schwarzen Klebestreifen, der über den Parkettboden verläuft. Kanadier, die in die Haskell Free Library wollen, müssen den Eingang nehmen, der in den USA liegt. Solange sie auf dem Bürgersteig bleiben, benötigen sie kein Visum. Parken sie allerdings ihr Auto an der Caswell Avenue, an der die Bibliothek liegt, verstoßen sie schon gegen die Einwanderungsbestimmungen. Ein Buch voller überraschender Geschichten.

Marc Engelhardt: „Ausgeschlossen. Eine Weltreise entlang Mauern, Zäunen und Abgründen“. DVA. 288 Seiten, 18 Euro

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Viel ist das Verschwinden der Bienen und anderer Insekten in der jüngsten Vergangenheit beklagt worden. Auch die artenreichste Ordnung der Insekten ist stark gefährdet: Die Zahl der Schmetterlinge geht dramatisch zurück. Der Biologe Josef H. Reichholf hat nun seine Erkenntnisse aus 50 Jahren Schmetterlingsforschung aufgeschrieben. Er erzählt, wie in seiner Jugend die Wiesen voller Schwalbenschwänze, Bläulinge und Schachbrettfalter waren – es waren so viele Tiere, dass „niemand daran gedacht hätte, sie zu zählen“. In den vergangenen 50 Jahren hat laut Reichholf „die Häufigkeit unserer Schmetterlinge um über 80 Prozent“ abgenommen. Eine Ursache sieht der langjährige Sektionsleiter Ornithologie der Zoologischen Staatssammlung München im Maisanbau. Er kritisiert die industrielle Landwirtschaft und fordert neben einer Reduzierung von Pflanzengiften eine umfassende umweltpolitische Wende. Um zu verstehen, was uns verlorenzugehen droht, stellt Reichholf Arten wie den Totenkopfschwärmer vor, die hierzulande leben. Sein Plädoyer: Es wird Zeit für ein neues Naturverständnis.

Josef H. Reichholf: „Schmetterlinge. Warum sie verschwinden und was das für uns bedeutet“. Hanser. 288 Seiten, 24 Euro

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Sie dürfen nur 100 Wörter am Tag sprechen. Wenn das Kontingent aufgebraucht ist, verpasst ihnen das Armband um ihr Gelenk einen Stromstoß. Aber wenigstens können sich die Frauen die Farbe ihres Folterinstruments selbst aussuchen. Die feministische Dystopie „Vox“ stellt in der guten Tradition von Margaret Atwood die Frage: Wie kann sich ein demokratischer Staat wie die USA binnen Kurzem in eine Diktatur verwandeln, die die eine Hälfte der Menschheit zu stummen Haussklavinnen macht? Beim Lesen möchte man manches Mal vor Empörung aufschreien. Der Roman erscheint im Hinblick auf die frauenverachtenden Kommentare des US-Präsidenten Donald Trump erschreckend aktuell. Die Autorin spielt unverhohlen auf ihn an, wenn sie vom Machtwechsel im Weißen Haus spricht und einem Idioten, der sich zum Handlanger eines Fernsehpredigers und seiner Bewegung der „Reinen“ macht. Dalcher versteht ihren Roman als Warnruf gegen eine Politik der Geschlechtertrennung. Erzählt wird die spannende Geschichte bezeichnenderweise aus der Perspektive einer Linguistin.
 
Christina Dalcher: „Vox“. Fischer. 400 Seiten, 20 Euro

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Alles beginnt mit einer kleinen Lüge: Als der Schriftsteller Daniel Brodin im Kreise von Pariser Intellektuellen aufgefordert wird, eines seiner Gedichte vorzustellen, verkauft er ein von ihm zwar übersetztes, aber nicht selbst geschriebenes Werk als sein eigenes. Ein Schwindel mit Folgen: Daniel steht kurz vor seinem Durchbruch in der literarischen Hochgesellschaft, gerät aber auch in den Dunstkreis einer Gruppe avantgardistischer Literaturrebellen. Die Graphic Novel ist angesiedelt im Paris der Fünfzigerjahre. Jean-Paul Sartre, Simone de Beauvoir und der Existenzialismus bilden die historische Grundlage, ohne dass sie in der Erzählung vorkommen. Die berühmten Autoren sind quasi abwesende Anwesende (um dann doch in einem Bild zu erscheinen). Der Protagonist in der von Alessandro Tota getexteten und Pierre van Hove gezeichneten Graphic Novel ist ein Getriebener, ein Antiheld, der sein Mäntelchen nach dem Wind hängt und nicht Herr der Situation ist. Die Erzählung, deren Verfilmung bereits geplant ist, erzählt vom legendenreichen Jahrzehnt der Pariser Künstler- und Intellektuellenszene und von Zeiten, in denen Literatur noch Inhalt von erbitterten gesellschaftlichen Debatten sein konnte. 
 
Alessandro Tota, Pierre van Hove: „Der Bücherdieb“. Reprodukt. 176 Seiten, 20 Euro

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Die Therme im schweizerischen Vals gehört zu den berühmtesten und schönsten Werken des Stararchitekten Peter Zumthor. In der Graphic Novel „Der Magnet“ wird dieser klare, schnörkellose Bau zu einem geheimnisvollen Ort, an dem merkwürdige Dinge geschehen. Der junge Architekturstudent Pierre – ein Alter Ego des Zeichners und Autors des „Magneten“ Lucas Harari – fühlt sich angezogen von dem Bau. Ein alter Mythos der Region besagt, dass der Berg alle 100 Jahre einen Fremden anlockt und verschluckt. Der labile Pierre findet einen seltsamen Stein und trifft auf einen merkwürdigen Alten, eine hilfsbereite junge Frau – und einen bedrohlichen Architekturexperten. Und er entdeckt, dass sich hinter der Tür in der Therme eine andere, fiktive Welt findet. Lucas Hararis Erstling ist auch eine Hommage an Comiczeichner wie Hergé und E. P. Jacobs. Vor allem aber zeigt sich die Liebe des Autors zur Architektur und zur Therme von Vals, von der er sagt, dass sie „die eigentliche Essenz dessen darstellt, was Architektur sein soll“. Diese wunderbare Graphic Novel bringt uns diesen Bau näher.

Lucas Harari: „Der Magnet“. Edition moderne. 144 Seiten, 32 Euro

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