„Machtmensch“ Der Politiker Helmut Kohl in Zitaten – eine Zeitreise.
Helmut Kohl,
Bundeskanzler a. D. 1982-1998
„Wer die Vergangenheit nicht kennt, kann die Gegenwart nicht verstehen und die Zukunft nicht gestalten.“
1930 kam Helmut Josef Michael Kohl als drittes Kind des Finanzbeamten Hans Kohl und seiner Frau Cäcilie in Ludwigshafen zur Welt. Sein älterer Bruder Walter, den er stets verehrte, fiel 1944 während des Zweiten Weltkriegs bei einem Fliegerangriff in Haltern. Ein einschneidendes Erlebnis, dass seine spätere Europapolitik prägen sollte. Schon als Schüler trat Kohl 1946 der CDU bei und war 1947 Mitbegründer der Jungen Union Ludwigshafen.
„Ich bin in dieser Zeit wie ein Wanderprediger durchs Land gezogen und habe mich vielen Diskussionen gestellt, die oft zu wilden verbalen Schlachten ausarteten.“
1959 wurde Helmut Kohl als Abgeordneter der CDU in den Landtag von Rheinland-Pfalz gewählt. Ab 1963 hatte er den Fraktionsvorsitz inne. Am 19 Mai 1969 wurde Kohl mit 39 Jahren Ministerpräsident des Landes. Bis heute ist er der jüngste Landesvater Deutschlands. Er galt als Reformer, der seine Pläne auch gegen große Widerstände durchsetzte.
„Wer CDU wählt, wählt die Freiheit, auch um den Preis von weniger Gleichheit.“
Schon 1966 wurde Kohl Mitglied des Bundesvorstandes der CDU, ab 1969 Stellvertretender Bundesvorsitzender. Von 1973 bis 1998 führte er die Partei als Vorsitzender. Kein Politiker in Deutschland stand einer Partei je länger vor.
„In einem Führungsamt ist Charakter oft wichtiger als Wissen oder Intelligenz.“
Am 1. Oktober 1982 wird Kohl nach einem Misstrauensvotum gegen den damaligen Kanzler Helmut Schmidt (SPD) mit Hilfe der FDP zum Bundeskanzler gewählt. 1976 scheiterte Kohl noch mit seiner Kandidatur. Bis 1998 sollte er die Bundesrepublik regieren.
„Was damals inmitten des Kalten Krieges als eine unerreichbare Vision galt, hat sich vier Jahrzehnte später (...) mit der Einheit Deutschlands (…) in einem Triumph der Freiheit erfüllt.“
Für Kohl war die Deutsche Wiedervereinigung eines seiner wichtigsten politischen Ziele vor 1989. Aus diesem Grund lehnte er es konsequent ab, neben der deutschen Staatsbürgerschaft eine DDR-Staatsbürgerschaft anzuerkennen. 1984 verhinderte Kohl mit einem Milliardenkredit die Zahlungsunfähigkeit der DDR. Als Gegenleistung wurden in der DDR nach und nach den Selbstschussanlagen an der innerdeutschen Grenze abgebaut. Sein langjähriger Weggefährte und Widersacher, der CSU-Vorsitzende Franz Josef Strauß, vermittelte damals den Deal. Ausreisegenehmigungen für Übersiedler aus der DDR in die Bundesrepublik wurden fortan großzügiger erteilt. 1987 besuchte Erich Honecker als erstes Staatsoberhaupt der DDR Westdeutschland.
„Schauen Sie sich den Fluss an, der vorbeiströmt. Er symbolisiert die Geschichte; sie ist nichts Statisches. Sie können diesen Fluss stauen, technisch ist das möglich. Doch dann wird er über die Ufer treten und sich auf andere Weise den Weg zum Meer bahnen. So ist es auch mit der Deutschen Einheit.“
Es war ihre gute, persönliche Beziehung, die den sowjetischen Generalsekretär Michail Gorbatschow und Bundeskanzler Helmut Kohl so oft gemeinsam an einen Tisch brachte. Der Kanzler nutzte die einmalige politische Chance, die DDR gen Westen zu öffnen. Kohl sagte damals: "Mit Gorbatschow war es so, dass von Mal zu Mal die Stimmung besser wurde."
„Ihr seid nicht allein, wir stehen an eurer Seite. Wir sind und bleiben eine Nation, und wir gehören zusammen.“
Den Mauerfall am 9. November erlebte Kohl bei einer Auslandsreise in Polen, erfuhr während eines Staatsbanketts von der Öffnung der Grenzen. Über Schweden und Hamburg reiste er nach Berlin. Kohl wandte sich am 10. November mit seinen Worten vom Balkon des Schöneberger Rathauses in Westberlin an die DDR-Bürger. Die 20 000 Teilnehmer der Kundgebung auf dem Rathausplatz pfiffen Kohl aus. Sein Versuch, mit dem Mauerfall die Wiedervereinigung erzwingen zu wollen, kam bei den Westberlinern nicht an.
„Für mich war es die Erfüllung eines Traumes, als unter den Klängen des Deutschlandliedes in der Nacht vom 2. auf den 3. Oktober die schwarzrotgoldene Fahne vor dem Reichstag aufgezogen wurde.“
Weniger als ein Jahr später kam sie dann doch: die deutsche Wiedervereinigung. Kohl hatte sein größtes innenpolitisches Ziel erreicht. Er war nun Kanzler aller Deutschen. Notwendige Voraussetzung der Wiedervereinigung war das Einverständnis der vier Siegermächte aus dem Zweiten Weltkrieg. Diese wurde durch den Zwei-plus-Vier-Vertrag erteilt. Deutschland erhielt die volle Souveränität über seine inneren und äußeren Angelegenheiten.
„Durch eine gemeinsame Anstrengung wird es uns gelingen, Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen-Anhalt, Brandenburg, Sachsen und Thüringen bald wieder in blühende Landschaften zu verwandeln. (....) Es wird niemandem schlechter gehen als zuvor, dafür vielen besser.“
Ein Jahr nach der Wiedervereinigung war von Kohls versprochenen „blühenden Landschaften“ in Ostdeutschland wenig zu sehen. Bei einer Kundgebung in Halle wurde er mit „Lügner, Lügner“-Sprechchören empfangen. Demonstranten bewarfen ihn mit Eiern. Aus der Wende-Euphorie wurde Frustration. Nach Betriebsstilllegungen und zunehmender Arbeitslosigkeit hatten einige ehemalige DDR-Bürger ihren Glauben in den Einheitskanzler verloren.
"Wir wollen ein friedfertiges Europa schaffen. Ein Europa, das stark genug ist, den Frieden auf unserem Kontinent zu sichern, kann auch einen aktiven Beitrag zum Frieden der Welt leisten.“
Kohl großes außenpolitisches Ziel war es, Europa zu einen. Weil sein älterer Bruder im Zweiten Weltkrieg durch einen Luftangriff fiel, rief er später als Politiker die Parole aus, dass nie wieder europäische Kinder durch Krieg sterben sollten. Gemeinsam mit dem französischen Präsidenten Française Mitterrand trieb er die Einigung voran. Mitterrand machte seine Zustimmung zur deutschen Wiedervereinigung von Kohls Zustimmung zur „Vertiefung der Wirtschafts- und Währungsunion“ abhängig. Kohl stimmte zu – ohne den Bundespräsidenten darüber zu informieren. 1992 wurde mit dem Vertrag von Maastricht der Grundstein für die Europäische Gemeinschaft als Vorgänger der Europäischen Union gelegt.
„Der Euro kommt, und er wird eine stabile Währung sein.“
1998 beschlossen die Staats- und Regierungschefs der Europäischen Gemeinschaft die Einführung des Euro. Kohl wusste schon damals, dass er gegen die Zustimmung der breiten Masse in Deutschland handelte und ihn die Währungsumstellung Stimmen kosten würde. „In einem Fall war ich wie ein Diktator, siehe Euro.“
„Wenn sie ganz blöd sind, können Sie sich nicht 16 Jahre im Amt halten.“
Im Oktober 1998 wurde Kohl als Bundeskanzler nach 16 Jahren vom damaligen niedersächsischen Ministerpräsidenten Gerhard Schröder (SPD) abgelöst. Nach der Wahlniederlage der CDU wurde aus Schwarz-Gelb im Bund Rot-Grün.
„Ich habe nicht die Absicht, diese Spender zu nennen, weil ich ihnen mein Wort gegeben habe.“
Im November 1999 sprach das Amtsgericht Augsburg einen Haftbefehl gegen den damaligen CDU-Schatzmeister Walther Leisler Kiep wegen des Verdachts der Steuerhinterziehung aus. Der frühere CDU-Generalsekretär Heiner Geißler räumte ein: Die CDU habe unter der Ära Kohl „schwarze Konten“ geführt. Wenig später bestätigte Kohl nach anfänglichem Abstreiten die Existenz der Konten. Er übernahm die volle politische Verantwortung und gab an, 2,1 Millionen Deutsche Mark verdeckt angenommen und an den Parteibüchern vorbei verteilt zu haben. Im Januar 2000 legte Kohl den Ehrenvorsitz der CDU nieder. Da er den angeblichen Spendern sein „Ehrenwort“ gab, nannte er ihre Namen nicht – bis zu seinem Tod.
Helmut Kohl starb am 16. Juni 2017 im Alter von 87 Jahren in Oggersheim bei Ludwigsburg. Bei ihm war seine zweite Ehefrau, Maike Kohl-Richter.
„Helmut Kohl hat das europäische Haus mit Leben erfüllt.“ – Jean-Claude Juncker (EU-Kommissionspräsident)
Bei einem Trauerakt im EU-Parlament in Straßburg nehmen Politiker und Staatsgäste Abschied von Kohl. Erstmals wird damit ein gestorbener Politiker für seine Verdienste um Europa mit einem solchen europäischen Trauerakt geehrt. Reden sind unter anderem von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), EU-Ratspräsident Donald Tusk und dem früheren US-Präsidenten Bill Clinton geplant. Einen deutschen Staatsakt für Kohl wird es dagegen nicht geben.
Im Dom zu Speyer wird es eine Totenmesse für den verstorbenen Kanzler geben – an einem symbolträchtigen Ort in Kohls Leben. Im Dom suchte er als Junge im Zweiten Weltkrieg Schutz vor Fliegerangriffen, dorthin führte er später als Kanzler zahlreiche Staats- und Regierungschefs. Und dort war 2001 die Totenmesse für seine erste Ehefrau Hannelore.
Helmut Kohl 3. April 1930 – 16. Juni 2017
„Das war ein Leben, von dem ich sagen darf, es hat einen Sinn gehabt.“