Hamburg vor dem G-20-Gipfel "Welcome to Hell" – eine Demo eskaliert
Nachts um zwei sind die Spuren der Verwüstung im Hamburger Schanzenviertel an jeder Ecke zu sehen. Dutzende Fensterscheiben sind zerbrochen, Bankautomaten demoliert, ganze Straßenzüge mit Glasscherben und herausgerissenen Pflastersteinen bedeckt. Die Reste brennender Barrikaden dampfen vor sich hin, es stinkt nach verbranntem Müll.
Vor der „Roten Flora“, dem Kulturzentrum der Linksautonomen, sitzen ein paar Dutzend abgekämpfte Demonstranten vor brennendem Holz, als wäre es ein Lagerfeuer. Polizisten stehen daneben, auch sie wirken erschöpft. Sie wollen die Straße nicht räumen, damit die Lage nicht wieder eskaliert.
Zahlreiche Demonstranten flüchten in Richtung Reeperbahn oder Altona.
Wenig später meldet die Polizei dort brennende Autos, außerdem
zerstörte Scheiben bei einem Ikea-Möbelhaus und einer Sparkasse.
Stundenlang liefern sich Linksautonome und Polizisten Scharmützel in
mehreren Vierteln. Die Krawallmacher reißen Pflastersteine aus den
Straßen, um sie auf Beamte zu werfen. Im Minutentakt fliegen Flaschen,
Böller werden gezündet, Verkehrsschilder aus ihrer Verankerung gerissen.
„Wir sind entsetzt über die offensichtliche Gewaltbereitschaft“,
twittert die Polizei. Auch ihr Sprecher Timo Zill bekommt das zu spüren.
Als er unweit des Aufmarschs ein Interview gibt, wird er beworfen und
kann sich nur in einen nahe stehenden Rettungswagen flüchten, der
ebenfalls angegriffen wird.
Die Polizei antwortet mit dem Einsatz von Wasserwerfern, Schlagstöcken und Pfefferspray. Immer wieder knallt es an einer anderen Ecke, die Lage ist unübersichtlich. „Ganz Hamburg hasst die Polizei“, so schallt es immer wieder durch die Straßen. Die Randale geht weit über das hinaus, was die von den jährlichen 1.-Mai-Demos krawallerprobte Hamburger Polizei gewohnt ist.
Die Bilanz der Gipfel-Vornacht ist traurig:
Am frühen Morgen zählt die
Polizei mindestens 76 Verletzte allein in ihren Reihen. Zahlen über
verletzte Demonstranten gibt es zunächst nicht.
Ein Sprecher der Hamburger Feuerwehr bilanziert gegen 1.30 Uhr: „Es
hätte schlimmer kommen können.“ Doch die Fronten zwischen den
Gipfelgegnern und der Polizei sind nun extrem verhärtet. Tausende
gewaltbereite Autonome sind in der Stadt.
Und der eigentliche Gipfel
beginnt erst noch.