Von Geraldine Oetken Videokunst etwas sammeln, das keiner kauft
Video: Der zweite Blick
Videokunst wird erst durch Zeit verständlich. Nicht auf den ersten Blick. Markus Hannebauers Interesse an der Sammlung: "Bei mir ist das so, dass die Sammlung heute insofern etwas konzeptueller ist, als dass ich nicht so sehr auf Arbeiten mit großem Schauwert setze. Dinge, die ich zum Beispiel nicht sammle, sind Post-Internet-Arbeiten, die im ersten Moment sehr knallig wirken und stark auf die visuelle Beeindruckung setzen."
Die Zutat des Betrachters: die Zeit.
Seine Zutat als Sammler: die Präsentation.
Eine Kunstform ohne Investitionswert
Wenn immer neue Rekordpreise im Kunstmarkt verkündet werden, geht es um Gemälde berühmter toter Maler, Gemälde berühmter zeitgenössischer Maler, manchmal sogar Malerinnen. Aber eine Kunstform ist seltener Gast in den Auktionssälen von Christie's oder Sotheby's: die Videokunst.
Als der Software-Unternehmer Markus Hannebauer 2010 anfing zu sammeln, stieg er gleich bei Videokunst ein - ganz ohne Flachware, zweidimensionale Kunstwerke.
"Der Markt spielt für mich keine Rolle." - Im Gespräch in der Ausstellung
Markus Hannebauer
Künstler in der Sammlung
Künstler in der Sammlung
unter anderem: Omer Fast, Douglas Gordon, William Kentridge, Guido van der Werve, Christian Jankowski, Reynold Reynolds…
Die Sammlung "Fluentum" umfasst laut Hannebauer etwa 50 Arbeiten.
Guido van der Werve, auf dem Foto links neben Markus Hannebauer, eröffnet den Sammlungsstandort mit einer Einzelausstellung.
Guido van der Werve
Der niederländische Videokünstler Guido van der Werve, geboren 1977, lebt in Berlin. Viele seiner Arbeiten fordern extreme, körperliche Anstrengungen von ihm. So steht er in der Arbeit "Number Nine: The day I didn’t turn with the world" 24 Stunden lang am Nordpol und dreht sich entgegen der Erdumdrehung.
Oder er rennt 12 Stunden um ein Haus in Finnland. In einer anderen Videoarbeit läuft er vor einem Schiff auf dem Eis davon.
Für andere Videos und Performances hat er Musik komponiert - und ein Schachklavier gebaut, dessen Züge die Noten der Streicher diktieren.
Seine Videos nummeriert er durch. Derzeit arbeitet er unter anderem mit finanzieller Produktionshilfe von Markus Hannebauer an der neuen Videoarbeit "Number Eighteen".
Guido van der Werve, 2011 Number Thirteen Effugio c, you’re always only half a day away
Der Sammlungsstandort
Der Bau
1936 bauten die Nationalsozialisten das Gebäude in Berlin-Dahlem als Sitz des "Luftgaukommandos". Bezug war im November 1938 - die Gestaltung des Gebäudes entspricht dem architektonischen Ideal der Nationalsozialisten.
Ab dem Ende des Zweiten Weltkrieges, 1945, nutzte die US-amerikanische Armee das Gebäude als Hauptquartier. Sie verließ 1994 das Areal.
In jüngerer Geschichte wurde der Bau als Filmkulisse genutzt - unter anderem für den Tom-Cruise-Film "Operation Walküre" oder Quentin Tarantinos "Inglorious Basterds".
Heute befindet sich noch das US-Konsulat in der Clayallee in Berlin.
Nach dem Umbau
Nach dem Umbau
"Das Haus hier ist ein historisch belasteter Ort. Es hat eine vielfältige Geschichte, die immer wieder neu überschrieben wird. In Berlin haben wir viel Baubestand aus der Nazi-Zeit wie diesen hier - und wir müssen damit umgehen. Das kann man auch. Aber zu Anfang habe ich mir Sorgen gemacht, ob wir es schaffen, die ganze Geschichte, die in den Steinen sitzt, umzudefinieren. Sodass etwas Neues und Gutes daraus wird."
Markus Hannebauer
Weitere Infos
Hier gibt es mehr zur Sammlung, Informationen zur Anmeldung und zu den Videokünstlern: www.fluentum.org.
Mehr Informationen zu Guido van der Werve: https://roofvogel.org/
Text und Gestaltung: Geraldine Oetken
Fotos: Jacqueline Schulz und picture-alliance
Videos: Geraldine Oetken
Musik: Guido van der Werve, 2012
Courtesy Studio Guido van der Werve